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Reisebericht der Aktion "Kinder brauchen uns" e. V. anlässlich des 14. Hilfseinsatzes in Kabul, Afghanistan im November 2005. Die Aktion "Kinder brauchen uns" (zuerst "Kinder helfen Kindern" genannt) entstand im Oktober 2001 angesichts der Kriegsberichterstattung aus Afghanistan durch die spontane Initiative einiger Privatleute, die dem Leid der Kinder in dem Land am Hindukusch nicht länger tatenlos zusehen konnten und wollten. Ziel ist es, schwer kranken und verletzten Kindern, denen in Afghanistan nicht geholfen werden kann, eine medizinische Behandlung in Deutschland zu ermöglichen. Die Kinder werden in Afghanistan durch deutsche Ärzte, welche die Hilfseinsätze stets begleiten, ausgewählt. Wenn Sie die Arbeit unseres Vereins unterstützen und damit den Not leidenden Kindern in Afghanistan helfen möchten, können Sie dies mit einer Spende auf unser Vereinskonto tun. Unsere Bankverbindung lautet: “Kinder brauchen uns“ e. V. Konto: 463074100 BLZ: 362 500 00 bei der Sparkasse Mülheim a. d. Ruhr Bitte geben Sie im Verwendungszweck Ihre Adresse an, damit wir Ihnen eine Spendenbescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt ausstellen können. Weitere Kontaktmöglichkeiten entnehmen Sie bitte unseren Internetseiten unter der Adresse http://www.kinder-brauchen-uns.de Gerne können sie uns auch einen Brief senden: “Kinder brauchen uns“ e. V. Herr Dr. h.c. Markus Dewender Obere Saarlandstr. 3 45470 Mülheim a. d. Ruhr , Reiseberichte, Fotos, Bilder, Reiseinformation, Reisetipps weltweit. Schreiben Sie Ihren Reisebericht. Zeigen Sie Fotos und Bilder online. Reiseerfahrung mit anderen teilen!
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Hilfe fuer Kinder in Afghanistan

:: Montag, 7. November 2005

Heute war frühes Aufstehen angesagt. Der komplette Tag war reserviert für die
Untersuchungen zusammen mit Dr. Sharif, dem Chefarzt der kinderorthopädischen
Abteilung des Indira-Ghandi-Kinderkrankenhauses und mit Frau Dr. Zubaida, der
Kinderkardiologin. So nahmen wir bereits um 06:45 Uhr unser gewohntes
Frühstück ein. Wir hofften, an diesem Morgen vor Ankunft von weiteren
Familien vor dem Deutschen Hof, der Menge entkommen zu können, was uns
allerdings nicht gelang. So kümmerten wir uns zunächst um die wartenden
Familien und machten uns dann, bewaffnet mit der kompletten Fotoausrüstung von
Alex, den mitgebrachten Medikamentenpaketen für das Kinderkrankenhaus, unseren
Patientenblättern, Kartons mit Spielsachen und diversen Hilfsmitteln wie
Taschenlampen usw. auf den Weg zum Kinderkrankenhaus. Nachdem wir das übliche
Chaos überwunden hatten, standen wir mit unseren beiden Autos vor dem mit
bewaffneten Personen abgeschotteten Tor des Kinderkrankenhauses. Man darf sich
das Krankenhaus nicht wie ein deutsches Krankenhaus vorstellen, in das jeder
Zugang hat. Bewaffnete Wachmänner gewähren nur besonderen Personen Zutritt
und solchen Kindern, denen die Krankheit offensichtlich ins Gesicht geschrieben
steht. Nach einigen Diskussionen und Erläuterungen von Sadeq, wer wir seien,
ließ man uns passieren und wir fuhren auf den Hof der Klinik. Schnell wurde
uns bewusst, dass bereits viele Eltern mit ihren Kindern auf uns warteten, die
diese erste Hürde bereits überwinden konnten. Sowohl vor dem Krankenhaus als
auch in einem riesigen Wartezimmer warteten mehrere Dutzend Menschen auf den
Beginn der Untersuchungen. Wir konnten auf Grund der Menschenmenge nicht
schätzen, um wie viele Patienten es sich handeln würde. Nach dem sehr
freundlichen Empfang durch die beiden Ärzte begaben wir uns in das Zimmer des
Vize-Direktors der Klinik, in welchem die Untersuchungen stattfinden sollten.

Die Kinder mit ihren Eltern wurden mehr oder weniger nacheinander in das
Untersuchungszimmer gelassen, wo wir uns versammelt hatten, um die
Untersuchungen durchzuführen. Wir hatten schon im Vorfeld besprochen, wer
welche Aufgaben an diesem Tag übernehmen sollte. So war Alex für die
Erstellung der medizinischen Fotos zuständig, Falk für die Erfassung der
Patientendaten in den Patientenblättern, Fatima und ich für die Ausgabe der
Geschenke für die Kinder nach den erfolgten Untersuchungen. Markus besprach
die untersuchten Fälle sofort mit Dr. Sharif und Dr. Zubaida. Die schwierigste
Situation für alle Beteiligten bestand in der Vorauswahl der Kinder, denen wir
eine medizinische Behandlung in Deutschland anbieten können würden. Es war
erschreckend zu sehen, unter welchen Krankheiten und Verletzungen diese vielen
Kinder litten. Viele dieser Kinder litten gleich an mehreren Krankheiten, So
sahen wir etliche Verbrennungsopfer, Kinder mit starken Verbrennungen nach
einem Stromunfall, sehr viele Kinder mit Osteomylitis (Knochenentzündung),
Kinder mit Knochenfehlstellungen, die entweder angeboren waren oder durch
fehlende Versorgung nach Knochbrüchen entstanden sind und leider auch sehr
viele Kinder mit teilweise äußerst schweren Herzfehlern, die man ihnen durch
die Blaufärbung des Gesichtes schon von Weitem ansah. Bei einigen Kindern
benötigten wir für eine weitere Analyse und anschließenden Diagnose noch
weitere Untersuchungen (Blutuntersuchungen, Röntgenbilder etc.). Da diese
Untersuchungen in Afghanistan nicht kostenlos durchgeführt werden, gaben wir
diesen Patienten das benötigte Geld für die Untersuchung und baten darum, uns
die Ergebnisse später wieder einzureichen. So wurden fast im Minutentakt die
Kinder und ihre Eltern zu uns vorgelassen. Besonders betroffen waren wir von
einigen Fällen meist sehr kleiner Kinder, die unter solch schweren Krankheiten
(meist Herzfehlern) leiden, dass keine medizinische Hilfe, auch nicht in
Deutschland, möglich ist. In dem Bewusstsein, dass diese Kinder in Kürze
sterben würden, versuchten wir trotzdem unserer Arbeit in Ruhe nachzugehen.
Die Blicke der jungen Mütter werden wir jedoch nie vergessen können, wenn wir
ihnen mitteilen mussten, dass keine Hilfe möglich ist. Sie hatten riesige
Hoffnung geschöpft als sie hörten, dass Ärzte aus Deutschland in Kabul sind
und eventuell Hilfe anbieten können. Wenn diese Hoffnung dann so abrupt
zunichte gemacht wird, bricht für viele dieser Frauen verständlicherweise
eine Welt zusammen. Es machte aus unserer Sicht jedoch auch keinen Sinn, bei
hoffnungslosen Fällen einer Hoffnung Nahrung zu geben und diese dann später
zunichte machen zu müssen. So erlebten wir bei diesen Untersuchungen eine
derart große Differenz von Gefühlen, die wirklich nur schwer zu verarbeiten
ist. Alle Daten der Kinder, für die eine Behandlung zumindest medizinisch
möglich ist, wurden genau erfasst. Die mitgelieferten Untersuchungsergebnisse
wie Röntgenbilder usw. wurden zu dem jeweiligen Patientenblatt sortiert und so
vergingen etliche Stunden. Mittags besorgte dann Dr. Sharif persönlich ein
umfangreiches Essen, welches wir ebenfalls in diesem Zimmer einnahmen. Draußen
warteten noch sehr viele Patienten, aber jedes dieser Kinder und alle Eltern
waren sehr geduldig, ging es doch um die vielleicht einzige Chance für eine
Zukunft ihrer Kinder in besserer Gesundheit. Wir sind sehr froh, dass Alex alle
Patienten mit Fotos dokumentiert hat. Zurück in Deutschland würden uns diese
Fotos zusammen mit den Patientenakten die Suche nach passenden Kliniken
wesentlich erleichtern.

Nach dem Mittagessen führten wir die Untersuchungen der Kinder fort. Wie wir
später erfuhren, sollen viele Kinder mit ihren Eltern bereits abgewiesen
worden sein mit dem Hinweis, am morgigen Tag erneut vorbeizukommen. Am
Nachmittag beendeten wir dann diese Untersuchungen, da Dr. Sharif mit uns noch
seine Station in der Kinderorthopädie besuchen wollte, wo es auch etliche
Patienten gäbe, denen er mangels Material nicht helfen könne. Der allgemeine
Zustand des Kinderkrankenhauses selbst war eine Reise in die tiefste
Vergangenheit. Die Gänge, die sanitären Anlagen waren in einem erbärmlichen
Zustand. Es fehlt dort wirklich an Allem, selbst an einfachen Sachen wie
Reinigungsmöglichkeiten. Auch die angebotene Toilette der Ärzte und
Klinikleitung verbesserte unseren Eindruck nicht. Am liebsten hätten wir alle
direkt einen Tankwagen mit Desinfektionsmitteln bestellt. Wir fragten uns, wie
Patienten in dieser Umgebung genesen können. Unser Weg führte uns durch
einige Gänge der Klinik, durch ein Treppenhaus zur orthopädischen Station.
Auf dem Weg dorthin begegneten wir neben einigen afghanischen Männern auch
vielen afghanischen Frauen, die sich bei unserem Anblick sofort verhüllten und
scheu stehen blieben oder in eines der Zimmer verschwanden. In der
orthopädischen Station machte sich schon auf dem Flur ein eigentümlicher
Geruch bemerkbar und die Zustände waren noch schlechter, als auf den bisher
gesehenen Fluren des Krankenhauses. In den Zimmern standen jeweils sechs
"Betten", die mehr alten Feldmatratzen ähnelten, mit jeweils einer Bank
daneben, auf der die Mutter des jeweiligen Kindes saß. Diese Bänke dienen den
Müttern in der Nacht auch zum Schlafen. Alles in Allem war es ein trauriges
und gleichzeitig erschreckendes Bild. Die Kinder und auch die Mütter wirkten
sehr verstört. Pfleger oder Krankenschwestern schienen nur sehr spärlich
vertreten zu sein, gesehen haben wir im ganzen Krankenhaus nur zwei.

Mitten in unseren Untersuchungen erhielten wir die Nachricht, dass Fatimas
Vater angekommen sei. Sofort machten Falk, Fatima und ich uns auf den Weg aus
dem Krankenhaus hinaus auf den Vorplatz. Ein echtes Wunder war geschehen. Neben
dem Vater von Fatima waren auch noch eine Schwester, ein Freund des Vaters und
weitere Verwandte aus Shebar angereist, hatten sie doch die Kostenzusage von
Falk, dass er die Reisekosten tragen würde. Insgesamt waren ca. acht Personen
angereist. Wir waren sehr froh, endlich den echten Vater des Mädchens vor uns
zu haben. Nach den ersten tränenreichen Begrüßungen erhielten wir einen
Einblick, wie der Vater von der Rückkehr seiner Tochter erfahren hatte. So war
der Vater der festen Überzeugung, Fatima würde nicht mehr leben, weil er in
den vergangenen drei Jahren mehrfach versucht hatte, Kontakt zu seiner Tochter
zu bekommen, was ihm leider nicht gelungen ist. Umso größer war der freudige
Schock beim Anruf des ominösen Onkels bei einem afghanischen Mann in dem Dorf
des Vaters, der mitteilte, dass Fatima in Kabul angekommen sei. Sofort habe er
sich auf den Weg gemacht, um seine Tochter in Empfang zu nehmen. Alle
bisherigen Versuche unsererseits, den Vater von der Rückkehr seiner Tochter zu
unterrichten, waren also gescheitert. Im Nachhinein gesehen war es jedoch für
Fatima sehr gut, dass sie die ersten Tage in Kabul zusammen mit uns verbracht
hatte. So hatte sie die Möglichkeit, durch unsere Besuche in den Familien die
ersten Wörter ihrer Muttersprache wieder zu erlernen und sich ein wenig an die
heimische Kultur zu gewöhnen. Wir erfuhren, dass es dem Vater nicht gut geht
und er unter Herzproblemen leide und außerdem eine halbseitige Lähmung hat.
Wir vereinbarten, dass Fatima den Nachmittag mit ihrer Familie verbringen und
sie abends zusammen zum Deutschen Hof kommen solle, um Fatimas Gepäck
mitzunehmen. Erstaunlicherweise ging Fatima frohen Mutes mit ihren Verwandten
mit. Welche Gefühlswelten das Treffen des Vaters mit seiner Tochter nach drei
Jahren verursacht hat, kann kaum erahnt werden. Wir begaben uns ohne Fatima
wieder zurück auf die Station der Kinderorthopädie.

Was uns in den einzelnen Zimmern erwartete, kann mit Worten nicht beschrieben
werden. Bei dem ersten Fall, den wir sahen, handelte es sich um einen ca.
zehnjährigen Jungen, der vor drei Wochen von einem Baum gefallen war. Sein
Unterarm war mit einem Verband verbunden. Unter unbeschreiblichem Wimmern des
Jungen wurde dieser Verband mehr oder weniger sanft entfernt. Zum Vorschein kam
eine normale Mullauflage, die sich offensichtlich mit einer offenen Wunde
verbunden hatte. Die gesamte Mullauflage war rötlich-gelb durchtränkt. Zur
Entfernung dieser Mullauflage forderte der Arzt eine Pinzette an. Diese rostige
Pinzette wurde ihm in einer übel aussehenden Schale gereicht und er machte
sich an die Entfernung der mit Blut und Eiter durchtränkten Auflage. Uns
stockte der Atem. Was musste dieser Junge durchmachen? Welche Schmerzen musste
er erleiden? Die Elle des Armes schaute aus einer ca. zehn cm großen offenen
Wunde am Handgelenk heraus. Die gesamte Wunde um den Knochen hatte sich stark
entzündet und begann, sich aufgrund des Faulungsprozesses immer weiter und
tiefer fortzusetzen. Das gesamte Fleisch in dieser Wunde war nicht mehr
existent. Uns wurde schnell klar, woher der Geruch vom Flur kam. Hier auf dem
Zimmer intensivierte sich dieser Gestank ins Unermessliche. Alex hatte den
schwierigsten Teil in diesen Momenten und keiner von uns wollte mit ihm
tauschen. Er musste von dieser Wunde medizinische Fotos anfertigen und sich
demzufolge sehr nah an die eiternde Wunde heranbegeben. Alex weiß bis heute
nicht, wie er die Fotos erstellt hat, aber durch Zähne zusammenbeißen hat er
es geschafft, die Übelkeit für einen Moment zu vergessen. Der nächste Fall
eines ca. dreizehnjährigen Mädchens stand dem Vorangegangenen in Nichts nach,
im Gegenteil, es sollte noch wesentlich schlimmer kommen. Nach einem Autounfall
mit schweren Quetschungsverletzungen wurde dem Mädchen ein Fixateur
eingesetzt, der die Knochen des Fußes wieder in die richtige Stellung zum Bein
setzen sollte. Durch die ebenfalls offene großflächige Verletzung, lag das
gesamte Sprunggelenk und Teile des Fußes offen vor uns. Die gesamte Wunde war
hochgradig infiziert und wir sahen überall nur das rohe Fleisch, Sehnen,
Gelenke und Knochen, die insgesamt sehr eitrig waren. Die Entfernung des
Verbandes verlief ähnlich wie bei dem Jungen. Ein Wunder war für uns alle,
dass diese Kinder nicht vor Schmerzen wahnsinnig geschrieen haben, aber
wahrscheinlich hatten die Kinder dazu nicht mehr die Kraft. So sahen wir auf
der Station noch weitere Kinder, denen es ähnlich ergeht wie den beiden
beschriebenen Fällen. Die meisten von uns hatten in vorangegangenen
Hilfsaktionen schon viel gesehen, die Erlebnisse dieses Tages jedoch waren für
alle sehr schwer zu verkraften. Wir wussten nicht, ob wir heulen oder uns
übergeben mussten. Selbst Markus war das Gesehene deutlich an seiner
veränderten Gesichtsfarbe anzumerken. Wir fragten Dr. Sharif, warum diesen
Kindern nicht geholfen werden kann. Er erklärte uns, dass eine Operation zum
Richten der Knochen fachlich ohne Probleme möglich sei, er bräuchte dazu
allerdings Material, wie Nägel, Kürschnerdrähte usw. Da dieses Material
jedoch nicht zur Verfügung steht, könne er auch nicht operieren. Das Einzige
was er tun kann, sei eine notdürftige Wundversorgung. So lägen diese Kinder
so lange mit ihren offenen Wunden auf seiner Station in der Hoffnung, dass
irgendwann Hilfe aus dem Ausland kommt, sei es durch Lieferung von
OP-Materialien oder durch Abholung der Kinder zur Behandlung im Ausland. Wenn
diese Hilfe jedoch zu lange auf sich warten ließe, bliebe ihm keine andere
Wahl, als die betroffenen Gliedmaßen zu amputieren. Ein sehr erschreckender
Zustand... und dass nur 6-7 Flugstunden von Deutschland entfernt...

Nach diesem Untersuchungsmarathon verabredeten wir uns mit Dr. Sharif und Dr.
Zubaida für den nächsten Tag, um weitere Kinder untersuchen zu können.
Nachdem die schon gewohnte Menschenmenge vor dem Deutschen Hof von uns
empfangen wurde und wir auch Alis Wunde erneut verarztet hatten, freuten wir
uns auf einen ruhigen Abend bei einem guten Essen. Plötzlich ging die Tür auf
und Fatima kam mit ihren Verwandten herein. Sie schien glücklich und zufrieden
zu sein, was uns sehr froh stimmte. Nach weiteren Gesprächen mit dem Vater,
bei denen die weiteren notwendigen Behandlungen von Fatima abgestimmt wurden
und er auch gebeten wurde, wegen seines eigenen Gesundheitszustandes morgen zur
Untersuchung ins Krankenhaus zu kommen, verabschiedeten wir die gesamte
Familie, die mit Sack und Pack von dannen zog. Ein sehr ereignisreicher Tag lag
hinter uns und wir mussten das Gesehene versuchen zu verarbeiten. So gingen wir
auch an diesem Tag rechtzeitig zu Bett.



:: Dienstag, 8. November 2005

Auch heute war frühes Aufstehen angesagt, da wir bereits um 09:00 Uhr wieder
im Krankenhaus sein wollten. Der morgendliche Ablauf vor den Toren des Hotels
wiederholte sich auch heute. So fuhren wir wieder mit unserem üblichen Gepäck
ins Krankenhaus, wo uns die Wachmänner dieses Mal direkt Einlass gewährten,
denn schließlich kannten Sie uns bereits. Wieder trafen wir uns mit Dr. Sharif
und mit Frau Dr. Zubaida, um die Untersuchungen der Kinder fortzusetzen.
Ähnlich wie gestern wartete wieder eine große Menschenmenge darauf, in unser
Untersuchungszimmer zu gelangen. Wir hatten das Ende der Untersuchungen für
Mittags festgelegt, da wir am Nachmittag die untersuchten Kinder auf die uns
zur Verfügung stehenden Freiplätze in den deutschen Krankenhäusern aufteilen
mussten. Unseren Terminplan konnten wir auch gut einhalten, so dass ab mittags
keine Patienten mehr zu uns eingelassen wurden. Fast zum Schluss kamen dann
Fatima und ihr Vater noch zu uns. Fatima lief sofort zu Falk und brach in
fürchterliche Tränen aus. Der gestrige Abend sei sehr schrecklich gewesen, da
mindestens 25 Personen um sie herum gestanden haben, die alle wild in Dari auf
sie eingesprochen hätten und sie nichts verstanden habe. Sie rief laut, sie
wolle wieder mit Falk zurück nach Deutschland. Für ihren Vater muss diese
Situation schrecklich gewesen sein, zu sehen, wie sich seine eigene Tochter in
die Arme eines "fremden" Mannes rettet und sich dort ausweint. Auch der Vater
brach in Tränen aus und für uns alle war diese Situation sehr unangenehm. Wir
versuchten Fatima zu erklären, dass sich die Situation bald verbessern würde,
wenn sie erst wieder einige Wörter ihrer Muttersprache verstehen würde. Zum
Glück verstand sie unsere Erklärungs- und Tröstversuche und hörte recht
bald auf zu weinen. Der Vater wurde ebenfalls untersucht und es wurde ein
Herzfehler diagnostiziert. Ihm wurde geraten, aus Shebar in tiefer gelegene
Gebiete Afghanistans umzuziehen, was sein Befinden verbessern würde. Außerdem
gaben wir ihm einige Herzmedikamente in der Hoffnung, dass er sich damit besser
fühlen würde. Es wurde ein erneuter und schwieriger Abschied zwischen Falk
und Fatima. Letztlich gelang dieser Abschied jedoch, es sollte aber noch nicht
der Letzte gewesen sein. Markus und Sadeq fuhren anschließend mit dem Taxi
zurück zum Deutschen Hof. Falk, Alex und ich wollten jedoch noch einige Fotos
in dem Krankenhaus machen, um die allgemeine Situation dort zu dokumentieren,
was uns am Vortag nicht möglich war, da sich Alex dort auf die medizinischen
Fotos beschränkt hatte.

Als kleines Dankeschön für ihre Mühe hatten wir sowohl Dr. Sharif als auch
Dr. Zubaida jeweils 100,- Euro gegeben. Dr. Sharif bat uns, mit ihm zusammen in
die Stadt zu fahren um zu sehen, was er von diesem Geld kaufen würde. Wir
stimmten dem zu und so saßen wir kurze Zeit später im krankenhauseigenen Bus
zusammen mit dem Fahrer und Dr. Sharif und waren auf dem Weg in die Stadt. Auf
die Beschreibung des üblichen Chaos wird an dieser Stelle verzichtet. Eine
markante Situation sei jedoch erwähnt. Der Bus hatte ringsherum alte und
dreckige Gardinen, mit denen die Fenster zugehängt waren. Den Weg in die Stadt
benutzten wir auch dazu, einige Eindrücke auf Fotos festzuhalten. Plötzlich
hörten wir laute Schreie: "Stopp, Stopp, Stopp!!!" und unser Bus hielt recht
unsanft an. Vor unserem Bus positionierten sich zwei bewaffnetet Soldaten und
wir sahen durch die Frontscheibe in den Lauf eines Maschinengewehres. Sofort
stürmten zwei weitere Soldaten durch die offene Tür in unseren Bus und
schrieen: "You took a picture, give me the camera, show me the picture!". Falk,
der offensichtlich ein Foto hinter der Gardine geschossen hatte, wurde
aufgefordert, den Soldaten sofort das geschossene Bild zu zeigen. Nach einigen
Erklärungsversuchen, dass es sich bei dem Fotoapparat nicht um eine
Digitalkamera handele und das Bild nicht angesehen werden könne, führte der
Soldat hektisch einige Gespräche über Walky-Talky. Wir wurden gefragt, woher
wir kämen und in welcher Mission wir in Kabul unterwegs seien. Es war sehr
schwierig, den Soldaten zu erklären, dass wir in humanitärer Mission
unterwegs sind und dass das Foto nur zu privaten Zwecken aufgenommen worden
sei. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem fotografierten Objekt um
ein sehr wichtiges Hochsicherheitsgebäude der internationalen Schutztruppe
ISAF, das auf keinen Fall fotografiert werden dürfe. Nachdem wir die Soldaten
von unserer friedlichen Mission überzeugt hatten und Andreas den Soldaten
seine Visitenkarte überreicht hatte, durften wir unsere Fahrt fortsetzen. Für
Andreas war dieser Vorfall nichts Ungewöhnliches. Bei seinem letzten
Aufenthalt in Kabul waren Vorfälle wie diese noch an der Tagesordnung, für
die anderen Beiden (Alex und Falk) war es jedoch schon ein recht
ungewöhnlicher Augenblick.

So setzten wir unsere Fahrt fort und kamen kurz darauf in einer Einkaufsstraße
an. Wir stiegen zusammen mit Dr. Sharif und dem Fahrer aus und wunderten uns
nicht schlecht, als wir sahen, was der Chefarzt der kinderorthopädischen
Abteilung in Person einkaufen wollte. So wurden drei Besen, drei Schrubber, Ata
und drei große Putzeimer gekauft. Dr. Sharif bat uns, nach der Rückkehr im
Krankenhaus die hygienischen Zustände am heutigen Tag zu dokumentieren und
morgen wiederzukommen, um die Veränderung der Situation zu beurteilen. Welch
eine groteske Situation? Da fährt der Chefarzt persönlich in die Stadt, um
Gegenstände zur Reinigung des Krankenhauses zu besorgen. Diese kleine
Geschichte verdeutlicht vielleicht am Besten, wie weit der Zustand der
Krankenhäuser von westlichen Standards entfernt ist. Die Rückfahrt ins
Krankenhaus verlief ohne Zwischenfälle. Dort angekommen, halfen wir beim
Ausladen der besorgten Gegenstände. Sofort gab Dr. Sharif einer Frau
Anweisung, wie sie die modernen Reinigungsmittel zu gebrauchen hat und die Frau
fing an, den Gang der Station zu wischen. Alex konnte daraufhin die Situation
des Krankenhauses auf Fotos festhalten. Wir hoffen sehr, dass diese Fotos dazu
beitragen, dass vielleicht deutsche Krankenhäuser bereit sind, eine
Patenschaft für dieses Kinderkrankenhaus zu übernehmen und es mit dem
Nötigsten zu versorgen. Wir werden jedenfalls Alles daran setzen, diese Klinik
weiter zu unterstützen. Nach Abschluss der Fotodokumentation, bei der uns auch
wieder der unangenehme Geruch von faulenden Wunden entgegenschlug, waren wir
sehr froh, wieder an der "guten", staubigen Luft Kabuls zu sein. Verabschiedet
wurden wir von Dr. Sharif mit einer Einladung zu einer Hochzeit, die am Abend
in der Kabuler "Wedding-Hall" stattfinden würde. Die Tochter eines
Chefarzt-Kollegen würde heiraten und es wäre ihm eine besondere Ehre, wenn
wir mit ihm zu dieser Hochzeit fahren würden. So verabredeten wir uns für den
Abend um 18:00 Uhr am Deutschen Hof.

Bewusst nahmen wir für den Rückweg zum Hotel kein Taxi, da Alex noch weitere
Bilder vom Kabuler Alltag brauchte. So gingen wir zu Fuß und versuchten uns zu
orientieren. Wir hielten uns an den fast immer sichtbaren Berg im Bezirk
Wazir-Akhbar-Khan. Dort im Viertel der Reichen wurde sehr viel gebaut,
prachtvolle Villen mit glänzenden Fassaden aber wenig Bausubstanz. Zumindest
äußerlich schienen diese Häuser den Eindruck von viel Geld zu vermitteln.
Aus unserer Sicht ein Unding, denn einige hundert Meter weiter leben die
Ärmsten der Armen zusammengepfercht in dreckigen und staubigen Lehmhütten und
wissen nicht, was sie essen sollen. Sehr skurril wirkten auch die
Hinterlassenschaften des Krieges, wie zerbombte Panzer, die mitten in den
Straßen dieser Villen nach wie vor herumliegen und nicht entfernt werden. Wir
ließen diesen Bezirk hinter uns und wussten nicht mehr so richtig, wo unser
Weg herführte. Wir versuchten, einige Taxifahrer nach dem Weg zum Deutschen
Hof zu fragen, den alle jedoch nicht kannten. So liefen wir weiter etwas
ziellos durch die dreckigen Straßen, bis wir eine deutsche Fahne vor einem
Haus sahen. Sofort gingen wir dorthin und stellten mit Freuden fest, dass es
sich um das von Deutschen geführte Medical-Care-Center handelte. Falk ließ
sich vom Sicherheitspersonal in die kleine Klinik führen und war froh, dort
Deutsche anzutreffen, die ihm den Weg zum deutschen Hof auf ein Stück Papier
malten. Gerne wollten wir vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Hotel sein,
denn in den nächtlichen Straßen Kabuls wollten wir nicht gerne alleine
herumspazieren. Wir waren froh, gegen 17:00 Uhr unser Ziel erreicht zu haben.

Markus hatte in der Zwischenzeit bereits die wartende Schlange vor dem Hotel
bedient. Allerdings wartete ein Bus voller Leute auf uns. Fatima und ihre
Familie waren erneut zu uns gekommen, um sich von uns zu verabschieden. Nach
weiteren Tränen und einigen Gesprächen mit Fatima und dem Vater
verabschiedeten sie sich dann endgültig von uns, stapelten sich in ihren
Leihbus und verschwanden in der dunklen, staubigen Kabuler Nacht…
Markus und Falk zogen sich noch schnell die besten Sachen an, die sie mithatten
- schließlich wollten wir zu einer Hochzeit -, Alex und Andreas blieben in
ihrem Outfit, denn sie hatten keine besseren Anziehsachen mit. Pünktlich um
18:00 Uhr fuhr Dr. Sharif vor. Zusammen mit Ihm und Sadeq fuhren wir mit zwei
Autos zur Kabuler "Wedding-Hall". Uns begleiteten unterschiedliche Gefühle bei
dem Gedanken, gleich einer afghanischen Hochzeit beizuwohnen. Erstens hatten
wir noch sehr viel für den morgigen Abflug vorzubereiten, zweitens waren wir
müde von dem anstrengenden Tag, drittens fragten wir uns, ob wir auf solch
einer Hochzeit am richtigen Platz wären. Es überwog jedoch die Überzeugung,
dass es sehr unhöflich gewesen wäre, diese Ehrerbietende Einladung abzulehnen
und so fuhren wir auch schon an der bunt beleuchteten Halle vor. Alle zusammen
passierten die bewaffneten Wachmänner, die den Zutritt zur Halle regelten. Es
ging eine Treppe hinauf, wobei uns schon ohrenbetäubende Musik
entgegegenschlug. Offensichtlich gab es in dieser Halle mehrere kleinere
Hallen, in denen überall Hochzeiten gefeiert wurden. Aus jeder Halle kam
unterschiedliche, aber durchweg sehr laute Musik, was das Durcheinander perfekt
machte. Dr. Sharif führte uns dann in eine Halle, in der an runden Tischen ca.
300 - 400 Männer saßen, die der Musik der afghanischen Band zuhörten. Frauen
gab es keine in diesem Raum. Wie uns später erklärt wurde, feiern Männer und
Frauen getrennt Hochzeit, die Männer in dem großen Festsaal, die Frauen in
dem kleinen. Für uns eine sehr ungewohnte Situation für eine Hochzeit, bei
der es ja eigentlich um eine Frau und einen Mann geht. Egal, wir setzten uns an
einen der vielen Tische und "feierten" Hochzeit. Für europäische Ohren war
die laute sehr monoton klingende Musik der Band nicht wirklich geeignet, einige
der afghanischen jüngeren Männer schien es jedoch sehr zu gefallen und so
wurde ausgelassen zu den Rhythmen getanzt. Von Zeit zu Zeit wurden Geldscheine
in die Luft geschleudert, die dann von afghanischen Kindern, natürlich Jungen,
eingesammelt wurden. Diese Show zog sich über 1,5 Stunden hin, wobei die
einzige Möglichkeit, sich zu unterhalten, in den kurzen Pausen zwischen den
einzelnen Musikstücken war. Einige ältere afghanische Männer schien diese
Show auch nicht zu interessieren und sie schliefen zusammengesunken auf ihrem
Stuhl ein, was für uns wegen des Lärms wie ein echtes Wunder wirkte.
Plötzlich hörte die Band auf Musik zu machen und es wurden Plastikdecken auf
die Tische gelegt. In den Saal kamen mehrer Uniformierte mit Blasinstrumenten,
die in schrecklicher Qualität - aber sehr laut - ein nicht enden wollendes
Musikstück auf ihren Trompeten spielten, das am Ende dann doch mit ein wenig
Applaus bedacht wurde. Ein Redner kündigte in der Landessprache Dari an, dass
nun das Essen gereicht würde. Auf riesigen Tabletts wurde das Hochzeitsmahl
auf den Tischen verteilt, das aus drei verschiedenen Reissorten, Hähnchen,
Lammfleisch und Rindfleisch, rohem Gemüse und viel Obst bestand. Jeder Gast
erhielt eine Pepsi-Dose und alle machten sich über das Essen her. Hunger
hatten wir auch und waren froh, am letzten Abend noch solch ein delikates Essen
zu bekommen. Am meisten freute uns jedoch die Ruhe beim Essen, denn die Band
hatte nun auch Pause. Nach dem ausgiebigen Mal setzte sich die Show
unverändert fort: die Band machte Krach, einige junge Männer tanzten, die
Kinder sammelten die geworfenen Geldscheine auf, ältere Männer schliefen
wieder ein, so dass wir uns entschlossen, die Feierlichkeit zu verlassen. Wir
fuhren zusammen mit Dr. Sharif zurück und verabschiedeten ihn vor seinem Haus.
Am deutschen Hof angekommen gönnten wir uns in der Hotelbar noch ein Bier und
fingen gegen 23:00 Uhr an, unser Gepäck zu packen, was sich als nicht ganz
einfach herausstellen sollte.

Bei unseren Besuchen bei den Familien wurden uns fast immer Geschenke für uns
mitgegeben, die aus vielen Tüten mit Pistazien, Nüssen, getrockneten Rosinen,
Kichererbsen, Obst und vielem mehr bestand. Diese Geschenke hatten wir immer in
unsere Zimmer gestellt und wunderten uns nun über die enormen Mengen, die es
zu verpacken galt. Zum Glück hatten wir noch drei leere Umzugskartons, in
denen wir das Spielzeug transportiert hatten. So machten sich Alex und Andreas
nachts um 23:30 daran, diese Geschenke in die Kartons zu verpacken. Einige der
verschlossenen Tüten sind dabei aufgeplatzt, so dass der Zimmerboden
übersäht war mit einzelnen Nüssen und Rosinen. Die Berge von Obst legten wir
dann in die Küche des Hotels, da wir das Obst unmöglich mit nach Deutschland
nehmen konnten. Um 01:00 Uhr nachts war dann alles mehr oder weniger
transportsicher verpackt und wir legten uns ein letztes Mal in unser staubiges
Bett.


:: Mittwoch, 9. November 2005

Heute geht es wieder nach Hause. Unser Wecker klingelte bereits um 05:00 Uhr,
da wir schon um 07:00 zum Flughafen fahren würden. Nach der einigermaßen
warmen Dusche trafen wir uns um 06:00 Uhr zum letzten Frühstück. Dort wartete
auch schon ein reich gedeckter Obsttisch, welch Wunder, hatten wir dieses doch
vor einigen Stunden in die Küche gelegt. Nach dem Essen holten wir unsere
Sachen aus unseren Zimmern, verluden dies in die bereitstehenden Autos und
fuhren zum Flughafen. Dort wollten wir uns mit vier Kindern treffen, die wir
mit zur medizinischen Behandlung nach Deutschland nehmen konnten. Die Straße
zum Flughafengebäude ist in mehrere Sicherheitszonen aufgeteilt. An der ersten
Straßensperre werfen die Soldaten einen ersten Blick in die Autos, bei der
zweiten Straßensperre müssen Einheimische aus dem Auto steigen und sich
kontrollieren lassen. Bei der dritten Straßensperre müssen die Gepäckstücke
durch ein Röntgengerät, um diese auf gefährliche Dinge zu prüfen. Wir in
unserem Tross konnten alle Stellen ohne jegliche Prüfung passieren, da unser
Mitarbeiter Sadeq einen Flughafenausweis besitzt und dort sehr bekannt ist. Wir
trafen drei unserer Patienten mit ihren Eltern, aber ein Junge fehlte noch. Wir
riefen unseren Kontaktmann für diesen Jungen an, der uns mitteilte, dass das
Auto der Familie kaputt sei und sie das Auto schnell reparieren müssten. So
begaben wir uns schon einmal in das Flughafengebäude und checkten ein, was
ebenfalls sehr problemlos verlief. Lediglich das absolut harmlose Gepäck von
Andreas musste geöffnet und manuell untersucht werden. Alex Gepäck mit
diversem Fotoequipment, Laptop und sonstigen elektronischen Bauteilen konnte
die Kontrollen ungehindert passieren.
Mittlerweile traf auch unser Nachzügler ein, so dass wir komplett waren. Die
Zeit bis zum Abflug verbrachten wir in der Wartehalle und hatten besonderen
Spaß mit einem unserer Kinder. Der Junge hatte in seinem Rucksack ebenfalls
mehrere Tüten mit Pistazien, die er eigentlich seiner zukünftigen Gastfamilie
in Deutschland schenken sollte. In der Wartehalle fing der Junge an, eine
Pistazie nach der anderen zu knacken, den Inhalt zu essen und die Schalen auf
dem Fußboden zu verteilen. So konnten wir anhand der Spur, die er hinterließ,
immer sehr leicht seinen aktuellen Aufenthaltsort feststellen. Pünktlich um
10:30 Uhr konnten wir in unsere Maschine einsteigen, unsere Plätze einnehmen
und uns auf den Heimflug machen. Unser Pistazienjunge setzte seine Gewohnheit
auch im Flugzeug fort, so dass bereits nach kurzer Zeit der ganze Boden mit
Pistazienschalen übersäht war, sehr zum Unmut der Crew. Wir baten den Jungen,
seine Essensreste doch in einer Tüte zu sammeln und das bisher angerichtete
Chaos ein wenig zu beseitigen. Nach einem ruhigen, 6,5-stündigen Flug, bei dem
uns zwei dürftige Essen gereicht wurden, landeten wir wohlbehalten am frühen
Nachmittag wieder in Frankfurt. Welcome to Civilisation!!!

Bereits am Ausgang des Flugzeuges wurden die Pässe und Visa der Passagiere vom
Bundesgrenzschutz kontrolliert und wir fuhren mit zwei Flughafentransferbussen
zur Gepäckausgabe. Nachdem wir unser Gepäck erfolgreich aufgenommen hatten,
begaben wir uns durch eine weitere Zollkontrolle zum Ausgang. Dort wurden wir
bereits von zwei Familien erwartet. Eine Familie war nach Frankfurt gekommen ,
um unseren Pistazienjungen persönlich abzuholen, eine weitere Familie, um uns
ein afghanisches Mädchen zu übergeben, die vor einigen Wochen als Betreuung
für ein kleines, zweijähriges Mädchen mit nach Deutschland gekommen war.
Dieses ältere Mädchen ist selbst Opfer einer schweren Minenexplosion gewesen
und muss nun in verschiedenen Kliniken im Ruhrgebiet behandelt werden. Nachdem
wir unseren Bus vom Parkplatz geholt und das Gepäck verladen hatten, fuhren
wir über Marburg, Hagen, Herten, Essen, Mülheim und Wuppertal wieder zum
Ausgangspunkt unserer Reise nach Schwelm.

Wir sind sehr froh und dankbar, dass dieser nunmehr 14. Hilfseinsatz
erfolgreich beendet werden konnte und wir alle gesund wieder zurück bei
unseren Familien sind. Als Fazit können wir sagen, dass dieser Einsatz ein
voller Erfolg war. Auch sind wir froh, mit so wenigen finanziellen Mitteln so
vielen Kinder den Weg in eine gesunde Zukunft bahnen zu können. Ein weiteres
Fazit unserer Reise ist jedoch auch, dass Afghanistan erst ganz am Anfang des
Aufbruches steht und nach wie vor, dringend auf Hilfe aus dem Ausland
angewiesen ist. Besonders die Ärmsten der Armen, die Kinder, sind auf helfende
Hände angewiesen. Wir können nicht mehr, als an alle Leser dieses
Reiseberichtes zu appellieren, ihre Hilfe für diese Kinder zur Verfügung zu
stellen, sei es durch aktive Mitarbeit zum Beispiel als Gastfamilie für eines
der Kinder, sei es durch Unterstützung von medizinischem Fachpersonal oder
nicht zuletzt durch finanzielle Unterstützung, ohne die die Arbeit unseres
Vereins nicht möglich ist. Es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern,
bis dieses Land in der Lage ist, aus eigener Kraft die nötige Hilfe für die
Menschen bereitzustellen, immer vorausgesetzt, dass der Friedensprozess weiter
voranschreitet.

Mittwoch, 2. November 2005
:: Samstag, 5. November 2005
:: Eine Woche später, Mitte November 2005
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Autor: Andreas Timmler
erstellt: 25.11.2005
gelesen: 3694 mal
Stichworte: Pakistan, Erdbeben, Bilder
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